Samstag, 15. Oktober 2016

El Hiro und die Überfahrt

Der Bericht kommt ein bisschen Spät, aber er kommt. Unserer spanischer Internet-Anbieter hatte seine API-Daten geändert und wir hatten deshalb kein Internetzugang. Die WiFi-Verbindungen in Puerto La Restinga waren auch sehr Bescheiden (es reichte gerade so zum E-Mail abrufen). Aber nun weiter zu dem was in den letzten Wochen so los war.
Am liebsten wären wir noch eine Weile im Süden von Teneriffa geblieben, aber wir haben ja den Flug für Inge von den Kapverden nach Deutschland gebucht und wir haben noch zwei Inseln vor uns La Gomera und El Hiro.
Freitag der 23.09.2016
Nach einem ausgiebigen Frühstück und ein ordentlichen Kaffee heißt es Anker hoch und ab in Richtung La Gomera. Die Fahrt dorthin verlief ohne Probleme und der Wind war eher etwas zu schwach.
Abschied von Teneriffa der Teide ragt über die Wolken
La Gomera in Sicht
und hier beide zusammen
Wir merkten schon unterwegs das ein ziemlich starker Schwell vorhanden war (und diese Wellen kamen quer zur Windrichtung und zu den vom Wind erzeugten Wellen – das ergibt ein ganz schönes durcheinander) An der Küste von La Gomera hatten wir uns drei Ankerbuchten ausgesucht. Alle drei Buchten lagen im Süden also im Windschutz der Insel. In der ersten Bucht warfen wir dreimal den Anker aus, er fand einfach kein Halt und wir beschlossen in die nächste Bucht zu fahren. Die steilen Felsen in der zweiten Bucht waren wirklich beeindruckend, wir ließen den Anker fallen, fuhren Ihn rückwärts fest in den Untergrund und waren erst einmal zufrieden. Doch dann kam der Abend und die Nacht, der Wind legte zu und hielt das Schiff in fester Richtung an der straff gespannten Ankerkette. Das wäre gut so wenn da nicht der Schwell wäre, denn der nahm auch zu und kam genau von der Seite. Hembadoo kippte ständig um 30 Grad nach beide Seiten. Bei dieser Irren Schaukelei konnten wir kein Auge zu machen und ich hielt die ganze Nacht Ankerwache. (wie es Ingrid angestellt hat ein paar Stunden Schlaf zu finden, ist mir bis heute ein Rätsel) Am Morgen mussten wir feststellen - La Gomera will uns nicht haben. Deshalb machten wir uns sofort auf nach Puerto La Restinga auf El Hierro. Der Wind hat ordentlich zugelegt (30-35 Knoten) wir fuhren nur mit der Genua (dem großen Vorsegel) 9 Knoten und Surften die Welle mit 10 Knoten herunter. Doch diese Fahrweise hatte ihren Preis. Durch die hohe Geschwindigkeit waren wir zwar schnell im Süden von El Hierro und konnten noch bei Tageslicht in den Hafen einfahren, aber wir hatten ein Problem mit der Genua. Durch die enormen Kräfte hat sich die Umlenkrolle der Genuaschot (Leine die das Segel festhält) aufgebogen und die Leine hat sich verklemmt, dabei ist soviel Reibungshitze entstanden das Rolle und Leine leicht angeschmolzen waren. Na ja jedenfalls konnten wir das Segel bei diesen Wind nicht mehr bergen, aufrollen. An unseren Aufzeichnungen (Tracker – Webseite aktueller Standort) erkennt man das wir am Hafen von La Restinga vorbei, in den Windschatten der Insel fahren mussten. Erst hier konnten wir den Schäkel lösen und die Genua einrollen und dann in den Hafen fahren. Anfangs haben wir an der Betonmauer gelegen und der Wind hat uns ordentlich gegen gedrückt. Trotz aller Fender auf der Seite und Fenderbrett haben wir uns etliche hässliche schwarze Streifen auf den Rumpf geholt. Nach zwei Stunden kommt der Sicherheitsdienst und meinte wir müssten von der Mauer weg (nachdem wir uns mühevoll eingerichtet hatten) weil ein großes Schiff kommen sollte und wir möchten doch bitte bei diesen starken Wind an die viel zu kleinen Schwimmstege.
eine schicke, neue Hafenmauer
der Anlegefinger reicht nicht mal bis zur Schiffsmitte
Bei Ingrid war sofort Alarmstufe Rot und die blanke Panik im Gesicht, ihr kamen gleich die Erinnerungen von Arrecife wieder, wo der große Segler etliche Yachten plattgemacht hat. Ich versuchte sie damit zu beruhigen, das wir ja viel mehr können als der Schiffsführer damals (Ha, Ha). Aber mit Hilfe der Fischer, die an den Festmacherleinen zogen, das ihnen die Halsschlagadern herausstanden, schafften wir es doch, an den viel zu kleinen Steg festzumachen. Zu guter Letzt waren wir mit dem Platz auch sehr zufrieden (wir hatten Strom, Wasser und es war auch recht Preiswert).

ein neuer Wellenbrecher in der Einfahrt
Spaziergang auf der neuen Hafenmauer

die Wasserinstallation lässt einen Staunen
nur für Eingeweihte - Gruß an meine alte Firma
So da waren wir nun,auf der kleinsten kanarischen Insel. Sie liegt am südwestlichen Rand des Archipels und wir nur von ca. 11.000 Menschen bewohnt. Das gefällt uns natürlich. Hier ist der Untergrund noch ziemlich aktiv. Bis heute hat sich die Erde auf El Hierro nicht wirklich beruhigt, es bebt dort von Zeit zu Zeit. 2011 allerdings hörten die Beben nicht mehr auf – und die Insel kam in die Schlagzeilen, weil ein neuer Unterwasservulkan vor ihrer Küste, Gestein und Gas ins Meer spuckte. Das Meer vor La Restinga verfärbte sich grün und braun, die Luft roch nach Schwefel.
„Wir waren Hauptthema in den Nachrichten“, berichteten die Einheimischen. Inzwischen hat sich die Erde wieder beruhigt, aber in der Zeit danach ,hat El Hierro mit den Nachwirkungen zu kämpfen. Noch zwei Jahre nach dem Spektakel fürchten Reisende Erdbeben und Vulkanausbrüche, anstatt Urlaub im Unesco-Biosphärenreservat zu buchen. Schon immer hatte die Insel unter ihrer Abgeschiedenheit gelitten. Wer hierher will, muss wirklich motiviert sein.
Für uns ging es erst einmal auf eine Erkundungs-Wanderung in die nähere Umgebung von La Restinga. Und ein Highlight ist natürlich, dass der Hafen hier so sauber ist, dass wir von Boot aus baden und schnorcheln können.
Baden im Hafen
ein kleiner Strand im Hafen
kristallklares Wasser und nicht überfüllt
Man sieht den Grund in 7-8 m sehr deutlich und beim Schnorcheln, sind viele tropische Fische, Krabben, Seeigel und andere Meeresbewohner zu beobachten. Wo diese sich wohlfühlen kann das Wasser nicht schlecht sein. Auf der Insel gibt es viele schöne Wanderwege. Unsere erste Wanderung brachte uns in eine wüste Gegend hinter dem Dorf. Wir liefen über Lavagestein und umrundeten einen großen Berg, einen erloschenen Vulkan.
die Natur findet ihre Nischen
die erkaltete Lava sieht aus wie ein Kunstwerk

das soll mal ein Drachenbaum werden
Wandern im Lavafeld
In der nähe des Hafens zum Beispiel, befindet sich eine mit glasklaren Wasser gefüllte Lava-Blase. In ihr tummeln sich etliche Fische und vier Muränen. Eine große Muräne hat ihren Schutzraum verlassen und ist drei Meter weiter in ein anderen geschwommen. Wir konnten uns kaum von dem Anblick trennen.
die Lava-Blase
man glaubt es nicht, das Wasser ist mehrere Meter tief
eine der vier Muränen
 Wir bleiben jetzt noch ein paar Tage hier. Dann geht es los zum nächsten großen Schlag … gut 750 Seemeilen oder 1.400 km südwärts zu den Kapverden. Der tägliche Blick auf die Wind- und Wetterdaten zeigt uns ein ordentliches Wetterfenster, für unsere Überfahrt auf die Kapverdischen Inseln (Insel Sal). Vor dem Ablegen wird nochmal verproviantiert.
unsere schwedischen Nachbarn sind schneller
sie wollen zu Insel Sao Vicente

Mittwoch, der 28.09.2016 - es geht los … endlich. El Hierro ist zwar sehr schön und es gefällt uns gut hier, aber es zieht uns dann doch weiter.
So hieß es dann bei prächtigem Wind endlich wieder: Klar zum Setzen der Segel. Anfangs mussten wir den Motor mit zu Hilfe nehmen, um aus dem Windschatten der Insel zu kommen. Dann hatten wir schönen raumen Wind (Wind schräg von Hinten) und konnten alle Segel setzen (Fock, Groß-Segel, Besan-Segel) und pflügten mit 7 Knoten durchs Wasser. Und dann Delphine! Und zwar eine ganze Herde - ca. 50 Stück. Die sind fast eine Stunde direkt vor unserem Bug herumgetollt (meistens sind sie nach 5 Minuten wieder weg). Beinahe hatten wir den Eindruck, sie wollten sich daran den Rücken kratzen :). Das war jedenfalls ein ganz tolles Erlebnis!
Delphine - diese Augen können nicht Lügen
ohne Worte
die Delphine und auch wir haben richtig Spaß
Ein weiteres tierisches Erlebnis sind die fliegenden Fische. Im Schlaraffenland fliegen einem die Fische in die Bratpfannen – bei uns fliegen sie aufs Deck. Und zwar, immer über Nacht. Da dürften ein paar fliegende Fische im dunkeln den Durchblick verloren haben und sind dann auf Hembadoo gelandet. Früh Morgens können wir dann das Deck absuchen und etwa zwei Dutzend Fische über Bord werfen. Zum Essen sind die eh zu klein. Fliegen tun sie etwa wie Libellen und haben eine Größe zwischen 4 und 20 cm. Am Tage sieht es aus, als ob ganze Vogelschwärme aus den Wellen aufsteigen. 
Fliegende Fische
überall an Deck
hier mal aus der Nähe
unserer "Blinder Passagier", Ingrid hat ihn gleich mit Wasser und Brotkrumen versorgt
Gestern haben wir die Bordzeit wiederum um eine Stunde zurückgestellt. Es ist bei uns also MEZ minus 3h. Kein Schiff in Sicht, kein Funkverkehr, nix. Wir sind ganz allein auf See. Hat den Vorteil, dass uns niemand rein-fahren kann :). Leider blieb das nicht für die ganze Strecke so, und wir hatten teilweise mit schwachen Winden und dadurch schlagenden Segeln zu kämpfen. Am Montag kam der Wind dann mit voller Stärke zurück -28 Knoten und wir waren für unsere geplante Ankunft viel zu schnell. Wir wollten Palmeira auf der Insel Sal nicht im dunkeln Anlaufen, ob wohl wir die neusten Seekarten mitführen, war die Verlängerung der Schutzmauer nicht eingezeichnet. Aber wir wollten so wieso einmal Testen, das Boot beizudrehen, da wir ja ein Langkieler haben, ist das eine Option, um einen Sturm und extreme Wellen abzuwettern. Gesagt, getan, die Fock auf die anderen Seite nehmen, aber fest halten, Ruder geradeaus stellen und abwarten. Wenn man das nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde man es fast nicht glauben wollen. Es wurde schlagartig ruhiger an Bord, nur noch ein seichtes auf und ab und wir Drifteten mit ca. 2 Knoten quer-leicht schräg zum Wind. Draußen pfiff der Wind durch die Wanten und wir saßen gemütlich beim Abendbrot (natürlich haben wir auch im Salon, die Möglichkeit auf ein Kartenplotter zu schauen und AIS- und Radar-Alarm sind eingeschaltet). Jetzt konnten wir es so gestalten, das wir am Dienstag, den 04.10.2016 um 7.00 Uhr in die Ankerbucht von Palmeira (Insel Sal) einliefen. Insgesamt benötigten wir für die gut 750 Seemeilen (knapp 1.400 km) knapp 6 Tage.